Ambulante Erziehungshilfe und ihre Kontexte
Personenberechtigte haben Anspruch auf Hilfe bei der Erziehung eines Kindes bzw. Jugendlichen, wenn nicht sichergestellt ist, dass dem Kind oder Jugendlichen eine entsprechende Erziehung zuteil wird und die Hilfe für eine gesunde Entwicklung notwendig und geeignet ist.
Welche Formen der Familien- und Erziehungshilfe gibt es?
Als Familienhilfe wird eine ambulante Hilfeleistung bezeichnet, die Familien kostenfrei zusteht, wenn sie die Voraussetzungen erfüllen, die in den §§27ff SGB VIII geregelt sind. Eine gängige Bezeichnung ist die sogenannten AEH, die ambulanten Erziehungshilfe. Darunter werden folgende Maßnahmen zusammengefasst:
- SPFH – Sozialpädagogische Familienhilfe
- EB – Erziehungsbeistandschaft
- Clearing – Klärung des Hilfebedarfes einer Familie mit sozialpädagogischer Diagnostik
- ISE – Intensivsozialpädagogische Einzelbetreuung
- AFT – Aufsuchende Familientherapie
Eine sozialpädagogische Familienhilfe (SPFH) kommt in Betracht, wenn die Familie sich zur freiwilligen Mitarbeit bereit erklärt und mit der sozialpädagogischen Fachkraft zusammenarbeitet.
Zum einen dürfen sich Familien, die bei sich einen Hilfebedarf feststellen, an das zuständige Jugendamt wenden, zum anderen kann es sein, dass andere Institutionen oder Fachkräfte einen Hilfebedarf bei Kindern oder Jugendlichen erkennen und der Familie eine ambulante Jugendhilfemaßnahme empfehlen.
Eine Hilfe kann aufgrund einer vermuteten oder bestehenden Kindeswohlgefährdung eingeleitet werden. Hier melden eine oder mehrere Stellen die Beobachtungen an das Jugendamt und dieses nimmt Kontakt mit der Familie auf. In diesem Fall spricht man zunächst von einem Zwangskontext, da in vielen Fällen die Familie selbst ihren Bedarf entweder nicht sieht oder Schwierigkeiten hat, sich Hilfe zu holen. Im Zuge eines gerichtlichen Verfahrens kann eine SPFH oder ein Clearing auch richterlich angeordnet werden. Der Begriff Freiwilligkeit ist hier also dehnbar von einer Eigenmotivation der Hilfesuchenden bis hin zu einer Maßnahme, die nur aufgrund drohender gravierender Maßnahmen die Zustimmung der Beteiligten findet.
Jedes Jugendamt entwickelt sehr unterschiedliche Produkte in Zusammenarbeit mit den Trägern von Jugendhilfemaßnahmen, die in Zeit und Umfang der Hilfe sehr variieren können.
Familienhilfe findet bis auf wenige Ausnahmen aufsuchend statt. Die Fachkräfte vereinbaren in der Regel Termine bei den Familien, Kindern oder Jugendlichen zu Hause. Bei getrennten Eltern finden die Treffen bevorzugt auf neutralem Boden statt. Dafür ist es hilfreich, einen geeigneten Raum zur Verfügung zu stellen, in der eine ungestörte Beratung möglich ist. Auf diese Weise werden auch Familien erreicht, denen es nicht gelingt, sich Hilfe in einer „Komm-Struktur“ wie einer Erziehungsberatungsstelle zu suchen.
Eine besondere Form in der SPFH ist die systemische Familienhilfe. Sie findet oftmals in Co-Arbeit statt. Im Idealfall wird sie von einer weiblichen und einer männlichen Fachkraft in einem Tandem angeboten. Die Fachkräfte verfügen über eine systemische Zusatzausbildung.
Die Erziehungsbeistandschaft (EB) ist eine Jugendhilfemaßnahme, die das Kind oder den Jugendlichen bei der Bewältigung von Entwicklungsproblemen möglichst unter Einbeziehung des sozialen Umfeldes unterstützen und unter Erhalt des Lebensbezuges zur Familie seine Verselbständigung fördern soll. Sie ist mehr auf das Kind oder die Jugendliche ausgerichtet als eine SPFH.
Ein Clearing dient zur Feststellung des Hilfebedarfs einer Familie. Die Fachkräfte haben einen Zeitraum – z.B. vier Monate – in dem sie herausfinden, um was es in der Familie genau geht, welchen Hilfebedarf die einzelnen Familienmitglieder haben und was es für die Familie braucht, um eine gesunde Entwicklung zu fördern. Das Clearing endet mit einer sozialpädagogischen Diagnostik in Form eines Berichtes, in dem Empfehlungen ausgesprochen werden.
Eine intensivsozialpädagogische Einzelbetreuung (ISE) ist notwendigerweise einzelfallzentrierte Jugendhilfeleistung, weil den Jugendlichen oder den jungen Volljährigen aufgrund ihrer akut gefährdenden und stark problembelasteten Situation anderweitig nicht geholfen werden kann und dieses intensive und individuelle Betreuungsarrangement zur Unterstützung bei der Lebensbewältigung benötigt wird.
Aufsuchende Familientherapie (AFT) ist ein systemisch-therapeutisches Konzept und soll Familien erreichen, die mit herkömmlichen Jugendhilfeangeboten nicht oder nicht mehr erreichbar sind. Hier arbeiten in der Regel zwei therapeutisch ausgebildete Fachkräfte in Co-Arbeit zusammen. Merkmale bei diesen Familien können sein: Resignation, Motivationsmangel, beschränkte Ressourcen zur Konfliktlösung, wiederkehrende Krisen, Erfolglosigkeit bei den eigenen Bewältigungsstrategien, häufige Grenzüberschreitungen, etc.
Aufgaben einer ambulanten Familienhilfe
- Erziehungsthemen
- Kontakt mit Ämtern und Institutionen
- Lösung von Konflikten und Krisen
- Bewältigung von Alltagsproblemen
Eine Familienhilfe ohne systemischen Hintergrund wird vorwiegend bei der Bewältigung von Alltagsproblemen und bei der Existenzsicherung im Sinne von Kontakt zu Ämtern und Institutionen hilfreich und wirkungsvoll sein können.
Eine systemisch ausgerichtete Familienhilfe kann darüber hinaus auch mit Themen der Familiendynamik, Rollenkonflikten oder -verschiebungen oder Konfliktlösungsstrategien und mit der ganzen Palette der Erziehungsthemen wirkungsvoll und zielgerichtet umgehen.
Wie sieht ein Prozess des Hilfeverlaufs aus?
Maßgeblich lassen sich beim Ablauf der sozialpädagogischen Familienhilfe folgende fünf Phasen unterscheiden:
- Entscheidungsphase
- Probe- bzw. Orientierungsphase
- Hauptphase
- Ablösephase
- Nachbetreuung
In der Probe- bzw. Orientierungsphase wird zunächst eine Bestandsaufnahme des familiären Problemerlebens gemacht. Zudem wird die Basis für die gemeinsame Zusammenarbeit geschaffen, indem Grundlagen für die Kooperation festgelegt werden. Die Familie und die Familienhelfer haben nun die Möglichkeit, sich kennenzulernen und eine vertrauensvolle Basis für die Zusammenarbeit zu schaffen.
Dann geht es in die Hauptphase über. Hier erfolgt eine Begleitung durch Fachkräfte, mit dem Ziel, die zuvor festgelegten Ziele zu erreichen.
In der Ablösephase sollen die nun erreichten Ziele stabilisiert werden. Nach und nach wird der Kontakt nun auch zu den sozialpädagogischen Fachkräften weniger, um den bevorstehenden Abschied leichter zu machen. Die Eltern sollen nun zu einem selbstständigen Leben befähigt sein. Als beendet gilt die sozialpädagogische Familienhilfe, wenn die Ziele erreicht wurden, die im Vorfeld von der Familie und dem Familienhelfer festgelegt worden sind. Die Fachkräfte entwickeln mit der Familie gemeinsam bestmögliche Lösungen, um vor allem auch die Fremdunterbringung der Kinder zu vermeiden.