Das Phänomen Trauma im organisationalen Kontext
Ella Gabriele Amann hat im Rahmen eines Gastworkshops den Teilnehmenden das Konzept des traumainformed Arbeitens vorstellt. Dabei geht es um die Frage, wie Berater, Führungskräfte und Coaches achtsam mit den Bedürfnissen von Menschen umgehen können, die möglicherweise traumatische Erfahrungen gemacht haben.
Immer wieder kommt es vor, dass Beratungsprozesse abgebrochen werden, weil Teilnehmende den Inhalten nicht folgen können oder in ihrer Leistung nachlassen. Oft wird dann Coaching als Lösung angesetzt, aber auch hier kann es zu Abbrüchen kommen. Die Compliance der Mitarbeitenden – also ihre Bereitschaft, mit den Methoden zu arbeiten – lässt nach, und die üblichen Coaching-Ansätze erreichen ihre Grenzen.
Traumainformed Ansätze helfen uns, Anzeichen von Trauma zu erkennen und den eigenen Handlungsspielraum als Coach, Berater, Personaler und Führungskraft besser einzuschätzen. So können wir unterscheiden, wann Beratung oder Coaching sinnvoll ist und wann spezielle Weiterbildungen oder ein professionelles Netzwerk erforderlich sind, um tieferliegende Traumata zu adressieren.
Für Organisationen bedeutet das auch, ein Verständnis dafür zu entwickeln, welche Strategien oder Ereignisse potenziell traumatisierend bzw. retraumatisierend wirken können. Beispielsweise können große Veränderungsprozesse, wie Entlassungswellen, bei Mitarbeitenden Trauma-Symptome auslösen oder verstärken. Es geht darum, sensibler für solche Zusammenhänge zu werden und zu erkennen, wann und wie traumainformed agiert werden muss – also nicht unbedingt zu „behandeln“, sondern vor allem zu sensibilisieren und achtsam mit den Beteiligten umzugehen.
Coaching-Methoden sind grundsätzlich darauf ausgelegt, mit psychisch gesunden Menschen zu arbeiten, deren Nervensystem bereit ist, Neues zu lernen und auf Veränderung neugierig zu reagieren. Wenn jedoch Traumata eine Rolle spielen, ist diese Bereitschaft oft eingeschränkt, da Betroffene vor allem in einem Überlebensmodus agieren und sich schützen wollen. In solchen Fällen geht es darum, passende Methoden auszuwählen.
Auch in organisatorischen Prozessen kann eine traumasensible Vorgehensweise helfen, negative Folgen zu vermeiden. Bei notwendigen, aber belastenden Maßnahmen wie Entlassungen kommt es darauf an, Mitarbeitende frühzeitig zu informieren und vorzubereiten, traumasensitiv zu kommunizieren und ggf. psychologische Beratung anzubieten. Solche Maßnahmen stärken nicht nur die Betroffenen, sondern wirken sich auch positiv auf das Image des Unternehmens aus.
Ziel ist es, Re-Traumatisierung und Neu-Traumatisierung zu vermeiden. Das bedeutet, dass Organisationen und Führungskräfte sich der möglichen Trigger bewusst werden und sensibilisiert sind, dass vermeintlich „normale“ Belastungen, wie chronischer Stress oder fehlende Fehlerkultur, für einige Menschen überfordernd sein können. Für Mitarbeitende mit früheren traumatischen Erfahrungen, wie z.B. Entwicklungstraumata, können chronischer Druck und mangelnde Wertschätzung in kürzerer Zeit zu Frustration, Überforderung und schließlich zum Burnout führen.
Traumainformed Arbeiten bedeutet also, Methoden und Tools gezielt zu wählen und darauf zu achten, dass sie für die jeweilige Situation und die individuellen Bedürfnisse der Betroffenen passend sind. Es geht um Bewusstsein, Beobachtung und Achtsamkeit, ohne direkt „behandeln“ oder „lösen“ zu wollen. Stattdessen kann eine Organisation durch Schulungen, Informationsveranstaltungen und durchdachte Angebote ein Umfeld schaffen, in dem Mitarbeitende sich sicher und unterstützt fühlen.