7.06.2024

Psychologie trifft Design – Uwe Linke über die Gestaltung unseres Seminarraums

IFW: Gab es spezielle Inspirationen oder Vorbilder, die Deine Arbeit im Bereich der Raumpsychologie beeinflusst haben?

Gestalterisch gibt es immer wieder Highlights, die ich ästhetisch und klug gelöst finde. Spannend für die Raumpsychologie wird es, wenn eine Aufenthaltsqualität für die Nutzer spürbar wird sie eine wohltuende, kreative und anregende Umgebung vorfinden. Mich inspiriert vor allem der Prozess, wie ein Gestalter die räumlichen Gegebenheiten mit den Bedürfnissen der Akteure im Raum zusammenbringt.

IFW: Welche psychologischen Prinzipien oder Theorien hast Du bei der Gestaltung des Seminarraums berücksichtigt?

Neurodiversität zu berücksichtigen spielt eine wesentliche Rolle in meiner Arbeit. Mir ist es wichtig, in einem Seminarraum eine ganze Bandbreite an Raumerlebnissen anzubieten. Bühnen helfen gleichermaßen wie Rückzugsmöglichkeiten und Akustikmaßnahmen, um den Teilnehmer:innen verschiedene Settings zu ermöglichen, die im Laufe eines Seminartages erforderlich sind.

Die Gehirnforschung zeigt uns seit Jahren, wie Lernen über Emotionen funktioniert. Unser individuelles Wohlgefühl in einem Raum und welche Erfahrungen wir vor Ort machen, beeinflussen unseren Lernerfolg und wie wir Neues verankern. In den 30 Jahren, in denen ich mich selbst als Therapeut stetig fortbilde, habe ich viele Seminarumgebungen kennen gelernt. Es ist mir ein Anliegen, für das IFW ein besseres Raumerlebnis zu schaffen, als ich es oft selbst hatte. Das Raum-Konzeption hat einen hohen Einfluss darauf, wie reibungslos ein Seminar abläuft. Da geht es beispielsweise darum, das die Teilnehmer:innen über acht Stunden bequem sitzen oder wie lange es dauert, dass 20 Menschen in der kurzen Pause zu einem Getränk kommen. Und manchmal machen kleine angenehme Aufmerksamkeiten, wie Ladestationen für Mobiltelefone, freies WLAN oder eine Music-Box Raum, den Unterschied.

IFW: Welche Rolle spielen Farben, Formen und Materialien in Deinem Konzept?

Farben lösen Emotionen aus und wirken auf Stimmung, Leistungsfähigkeit und Motivation. Daher lege ich großen Wert auf angenehme Farben im Zusammenspiel mit entsprechenden Materialien und Formgebung. Da ein Seminarraum auf viele Jahre mit hunderten Teilnehmenden ausgelegt ist, spielt auch die Nachhaltigkeit in der Gestaltung und in der Produktwahl eine beachtliche Rolle.

IFW: Wie beeinflussen Raumaufteilung und Möbelanordnung die Lernatmosphäre und das Wohlbefinden der Teilnehmer:innen?

Ursprünglich konnte der Seminarraum scheinbar nur schwer unterteilt werden und auf den ersten Blick erschien die gewünschte Anordnung eines Sitzkreises durchaus problematisch. Genau das reizt mich, wenn etwas zunächst schwierig oder unmöglich erscheint. Eine außergewöhnliche Küchenplanung ermöglichte mehr Spielraum. Durch Akustikvorhänge aus Wolle und rollbare Pin-Akustikmöbel können Bereiche in alle Richtungen erweitert und verändert werden. Trainer:innen und Teilnehmede haben dadurch zahlreiche Möglichkeiten im Plenum sitzend, im Stehen und in unterschiedlichen Gruppensettings zu arbeiten. Auflösbare Raumkonstellationen erzeugen eine Werkstattatmosphäre, die zum Erforschen und Experimentieren einladen.

IFW: Welche Rolle spielt Beleuchtung in Deinem Design und wie wirkt sie sich auf die Konzentration und das Energielevel der Teilnehmer aus?

Ich bin froh, dass Dr. Friedl vom IFW schon zu Beginn der Planung Wert auf gutes Licht gelegt hat. Licht steuert maßgeblich die Aufmerksamkeit und trägt viel zu ermüdungsfreiem Arbeiten während eines Tagesrhythmus bei. Farbtemperatur, Gesamthelligkeit und eine hohe Farbwiedergabe sind die wichtigsten Faktoren, damit man über einen langen Seminartag aufmerksam und konzentriert bleiben kann. Durch ein Schienensystem mit unterschiedlichen Lichtquellen können flexible Lichtsituationen geschaltet werden und machen Settings von 2-20 Teilnehmenden zu jeder Tageszeit möglich.

IFW: Wie siehst Du die zukünftige Entwicklung von Bildungsräumen im Hinblick auf die Raumpsychologie?

„Auf die Ideen wären wir nie gekommen“- ist der häufigste Satz, den ich von meinen Kunden höre und das sind Therapeuten, Coaches und Unternehmen, die mit Menschen arbeiten. Es macht mich glücklich, dass immer mehr verstanden und erlebt wird, welchen gewaltigen Stellhebel gute Raumpsychologie-Konzepte für Lernen, Zusammenarbeiten und Wohlbefinden darstellen. Meist ist mit geringem Aufwand eine große Veränderung zu erreichen.

IFW: Hast Du Ratschläge für unsere Absolvent:innen, die ihre eigenen Praxis-Räume optimieren möchten, um die Umgebung für Beratung, Therapie und Coaching zu verbessern?

Ich empfehle mit den Sinnen und Bedürfnissen der eigenen Kunden den gesamten Ablauf im Raum durchzuspielen und reinzuspüren: Vom Empfang, Sitzposition im Raum, Farb- und Wandgestaltung und Licht bis zum kleinsten Detail. Die Qualität, die ich als Coach, Therapeut:in oder Institut verkaufe, muss auf allen Ebenen erlebbar und spürbar sein.   


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