28.07.2021 - Nicole Karrer

Der Umgang mit Bedürfnissen

Über den roten Faden in der Systemischen Arbeit mit Kindern und/oder Jugendlichen.

Eltern bringen ihre Kinder häufig zu uns in die Therapiestunde, weil sie Ängste zeigen, soziale Schwierigkeiten haben oder sich aggressiv verhalten. Dahinter steckt das Bedürfnis oder der Wunsch der Erwachsenen, dass wir Therapeut:innenen ihre Kinder wieder „richten“.

Als fundiert ausgebildete:r systemische:r Kinder- und Jugendlichentherapeut:in schauen Sie hinter die Ersatzbedürfnisse der Kinder, die sich beispielsweise als o.g. Symptome zeigen. Sie posititonieren den Schweinwerfer auf die Grundbedürfnisse der Kinder und Jugendlichen und bieten den Eltern einen gangbaren Perspektivenwechsel an.

In unserer Weiterbildung Systemische Kinder- und Jugendtherapie lernen Sie, das kindliche Denken und Handeln u.a. auf Basis der Neurowissenschaft und dem Bedürfnismodell nach Prof. Klaus Grawe, zu verstehen.

Grawe unterscheidet die vier Grundbedürfnisse:
Bindung
Selbstwertschutz bzw. Selbstwerterhöhung
Orientierung und Kontrolle
Lustgewinn und Unlustvermeidung

 

Das Grundbedürfnis nach Bindung  

Je jünger die Kinder sind, desto mehr sind sie auf feinfühlige Bezugs- und Bindungspersonen angewiesen, denn die Befriedigung der anderen psychischen Grundbedürfnisse ist in hohen Maß davon abhängig, dass Eltern angemessenes Bindungsverhalten zeigen.

Sie lernen in der Weiterbildung, wie Sie Eltern (in Anlehnung an deren eigene Geschichte und Erfahrungen) für die Bedürfnisse ihres Kindes fit machen.

 

Das Grundbedürfnis nach Orientierung und Kontrolle

Menschen wollen ihre Welt verstehen und bestenfalls in der Lage sein, Geschehnisse in gewisser Weise vorherzusehen oder beeinflussen zu können. Niemand möchte Opfer von äußeren Einflüssen sein, die unverständlich, unkontrollierbar und nicht beeinflussbar sind. Eine solche Sicht auf die Welt führt zu Hilflosigkeit, Passivität und verminderter Lebenslust.

Kinder benötigen einerseits eine Erziehung, die durch klare Regeln und konsistentes Handeln nachvollziehbar und vorstellbar ist und die gleichzeitig an ihre Entwicklung angepasst ist, d.h. nicht überfordernd oder überbehütend. Sie brauchen eine Beteiligung an Entscheidungen bzw. den Lernraum, um Entscheidungen eigenständig treffen zu können.

Sie lernen Methoden kennen, mit deren Hilfe Sie Kinder im Umgang mit ihren eigenen Ängsten stärken können und es schaffen, sich selbst Sicherheit zu geben. In Zusammenarbeit mit den Eltern lernen Sie, wie Sie kindliche Anteile sichtbar machen, innere Helfer aktivieren und Sie nutzen viele andere kreative Methoden, um junge Menschen zu unterstützen.

 

Das Grundbedürfnis nach Selbstwertschutz und Selbstwerterhöhung

Kinder benötigen für das Gefühl von ausreichend Selbstwertschutz und Selbstwerterhöhung wertschätzende Rückmeldungen von ihren wichtigen Bezugspersonen. Ständige Kritik, Abwertungen und Beschimpfungen durch die Eltern unterminieren die Befriedigung dieses Grundbedürfnisses. Kinder sind in existenzieller Weise von ihren wichtigen Bezugspersonen abhängig. Meist geben sich die Kinder z.B. selbst Schuld für die Schläge, die sie erhalten,  nur um die Illusion „Ich habe gute Eltern“ aufrecht zu halten.

Auch das Thema der Schulverweigerung ist meistens eine Strategie zum Selbstwertschutz,  wenn die Kinder im schulischen Kontext wenig positive Rückmeldungen erhalten und verletzende Erfahrungen machen.

In der Weiterbildung erhalten Sie verschiedene Visualisierungsmöglichkeiten, um Ressourcen und Stärken der Kinder und Jugendlichen für sich selbst sichtbar zu machen. Zudem erarbeiten Sie Strategien, wie die jungen Klient:innen nachhaltig darauf zugreifen können.

 Zum Selbstwert gehört häufig auch das Akzeptieren des Anders-seins oder die Verarbeitung von Mobbing- Erfahrungen.

Hier erlernen Sie Methoden, die Jugendliche darin unterstützen, ihre Autonomie zu fördern oder sich abzulösen, um einen guten Platz in der Familie und in der Welt zu finden. Außerdem begleiten Sie die jungen Menschen darin, ein positives Selbstbild zu entwickeln.

 

Das Grundbedürfnis nach Lustgewinn und Unlustvermeidung

Menschen vermeiden aversive Zustände (Unlustvermeidung) und wollen lieber angenehme Zustände erleben (Lustgewinn).

Wir erarbeiten zusammen Ansätze, wie Sie die große kindliche Ressource der Lust, Ziele zu erreichen oder Neues zu auf die Schule oder an sozialen Kontakten zu bekommen.

Welche anderen Bedürfnisse sind hier zusätzlich beteiligt? Braucht es mehr Sicherheit, um sich auf eine unangenehme Situation einzulassen oder geht es um Selbstwertschutz?

Sie bekommen Übersetzungshilfen an die Hand, um Eltern zu verdeutlichen, dass Unlustvermeidung ein natürliches Bedürfnis ist und nicht per se gegen die Erwachsenen gerichtet ist.

Diese häufige elterliche Interpretation ist selten hilfreich und zielführend. Umso wichtiger ist es, Eltern darin zu unterstützen, wie sie (neben ihrem eigenen Frust) den Frust ihrer Kinder aushalten lernen.

Als Anwälte der Kinder lernen Sie, den Erwachsenen deren Bedürfnisse näher zu bringen. Denn die Fähigkeit des Perspektivenwechsels in die Sicht des Kindes, verlieren die Eltern in ihrer eigenen Not und Sorge um die Kinder zumeist.

 

Bedürfnisse der Teilnehmer:innen

Selbstverständlich setzen wir den Fokus auch auf Ihre Bedürfnisse, so dass Sie Ihre professionelle Rolle gut ausfüllen können:

Sie erlernen neue Kommunikationsstrategien für z.B. Elterngespräche. Sie verinnerlichen eine grundlegende Haltung für systemisches Arbeiten und sind in der Lage, wertschätzende Rückmeldungen zu geben. Sie profitieren von einem multi-professionellen Team in ihrer Gruppe.

Im Rahmen der Weiterbildung kommen Sie mit Ihrer eigenen Kindheit und Jugend in Kontakt. Sie reflektieren Ihre individuellen Ersatzbedürfnisse und klären, wie Sie Ihre Grundbedürfnisse erfüllen können.

 

Mehr Informationen zur Weiterbildung Systemisches Arbeiten mit Kindern und/oder Jugendlichen